Auf der Reeperbahn ist es nachts um halb eins. Und auch in Wedel sieht man zu dieser Uhrzeit noch den ein oder anderen Nachtschwärmer durch die Straßen ziehen, doch mit Spuk und Hexerei hat das frühe Treiben in der Traditionsbäckerei Hackradt rein gar nichts zu tun. Tag für Tag wird in der Backstube im ersten Arbeitsgang für klimatische Bedingungen wie in der Karibik sorgt.
"30 Grad Wärme und rund 70 bis 80 Prozent Luftfeuchte müssen im Gärraum herrschen", erklärt Bäckermeister Udo Hackradt.
Udo Hackradt ist stolz darauf, dass man dem Kunden hier heute wie früher noch echtes Handwerk anbietet. Denn echte Handwerksqualität, gute Rohstoffe anstatt Fertigmischungen und ein familiärer Charakter im Betrieb führen laut Hackradt am Ende zu dem unverwechselbaren Geschmack und der hohen Qualität seiner Produkte. Nichts wird dem Zufall überlassen. Und wir richten uns immer nach dem Teig, nicht nach den Maschinen", erklärt der verheiratete Vater zweier Töchter, der im Jahresverlauf rund 80 Tonnen Mehl einkauft. Denn: Tag für Tag bekäme der Brötchenteig rund zwölf Stunden Entwicklungszeit, ehe er in den 240 Grad Celsius heißen Steinofen käme.
1948 in der Backstube in Wedel
Ob Dinkel-, Hafer-, Laugen oder Baguettebrötchen: Gleich 15 verschiedene Sorten kann Hackradt seinen vielen Stamm-und Laufkunden anbieten. Hinzu kommen die zu etwas vorgerückter Stunde hergestellten Brote, gleich neben den dutzenden Kuchen- und Torten-Variationen des Hauses.
"Damit starten wir gegen vier Uhr in der Früh, sagt Hackradt, während er seinem Azubi bei der Sauerteig-Herstellung genau auf die Finger schaut. Und schließlich den Daumen nach oben reckt.
"Sauerteig, Weizen, Roggen, Salz, Hefe und dazu noch Wasser. Mehr braucht ein Brot nicht", zeigt sich Hackradt mit der Arbeit seines Schützlings einmal mehr zufrieden.
Bäckermeister Udo Hackradt
in frühen Jahren am
Dampfbackofen
Auch in Zeiten, in denen Massenproduktionen und Discounter-Brötchen kleinen Bäckerei-Betrieben oft das Leben schwer machen, erachtet er den Beruf des Bäckers und Konditors als lebenswert. „Natürlich ist das nichts für Langschläfer. Darüber muss sich jeder vorher klar sein und die erforderliche Einstellung mitbringen.“, sagt Hackradt, bevor er mit dem Brotschieber das gerade im Backofen befindliche Weizenmischbrot kontrolliert. Und ein paar riesige Baguett-Stangen hinzugibt, deren Teig sein Lehrling zuvor gekonnt geformt und eingeschnitten hatte.
Auch einen Raum weiter duftet es nicht nur wunderbar, sondern zischt und sprudelt es noch dazu. Am Fettbackgerät aus den 1950er Jahren werden gerade Berliner gebacken.
Unterdessen läuft die Uhr unaufhaltsam weiter. Und es ist mittlerweile kurz vor sechs, als Nicole Hackradt gerade ein weiteres Tablett mit belegten Brötchen bestückt hat und in den Verkaufsraum trägt. "Gleich ist Geschäftsöffnung. Dann muss alles fertig sein.", so die Dame des Hauses, während die Verkäuferin die Körbe hinter dem Verkaufstresen mit einem ersten Stoß der über 1200 hergestellten Brötchen füllt.